"Das Kino ist ein Tier" [Akira Mizuta Lippit, 2002]

Die geplante Tagung „Tiere im Film, eine Menschheitsgeschichte“ hat zum Ziel, das moderne Tier-Mensch-Verhältnis über das Medium Film systematisch und historisierend zu erkunden.
Die Neue Kulturgeschichte hat in den letzten Jahren begonnen, die Tier-Mensch-Beziehung als Schlüssel für eine neuartige Gesellschaftsanalyse zu nutzen, die gleichsam vom Rand her zentrale soziale Strukturen und Machtverhältnisse zu entziffern erlaubt. In der Historiographie der Tier-Mensch-Beziehung ist die Quellengattung ‚Film’ bisher kaum beachtet worden. Ausgehend von der Annahme, dass für die Grenzziehung zwischen Mensch und Tier in der Moderne das Register des Visuellen jedoch eine herausragende Rolle spielt, soll der Fokus der Tagung auf den Repräsentationen von Tieren in verschiedenen Filmgenres liegen.
Durch eine enge Verzahnung von historischen und medienwissenschaftlichen Fragestellungen wollen wir erstens dieser Historiographie die zentrale Bedeutungsdimension des Visuellen hinzufügen und zweitens nach dem transformativen Potential des Films für die Tier-Mensch-Beziehung fragen. Entsprechend dieser doppelten Perspektivierung wird sich die Tagung beiden Aspekten widmen:

In Sektion I, „Cinemality ­ Warum schauen wir Tiere an?“, sollen neue Wege erkundet werden, das Kino zu denken. Das fabrizierte Leben auf der Leinwand bietet einen Ausgangspunkt, die Technologisierung des Tiers wie auch die Naturalisierung der Technik in der Moderne und Postmoderne zu reflektieren. Eine Beschäftigung mit dem visuellen Tier wirft zudem Fragen auf nach der Relation des Sicht- und Sagbaren im Film, aber auch in der Historiographie der Tier-Mensch-Beziehung.

In Sektion II, „Tierfilme und Filmtiere“, sollen historische Fallstudien präsentiert werden, die ausloten, inwiefern die Tier-Mensch-Beziehung einen neuen Zugang für die Untersuchung historischer Gesellschaftsformationen bietet. Mögliche Panels wären:

- 'Wildtiere im Safarifilm und der Wildlife-Dokumentation' Die Tier-Mensch-Beziehung könnte in diesem Kontext wichtige Aufschlüsse über (post-) koloniale Machtverhältnisse geben, steht die Differenzierung der Spezies doch in einem zu problematisierenden Zusammenhang mit der Kategorie race.

- 'companion animals' in Haustierserien und anderen Spielfilmen Dieser Aspekt der Tier-Mensch-Beziehung eignet sich insbesondere, um die Geschichte der Familie und der Geschlechterverhältnisse in den Blick zu nehmen.

- 'Nutz- und Versuchstiere in wissenschaftlichen (Lehr-) Filmen' Hier wäre vor allem die Funktion des Tiers für die Geschichte der Naturwissenschaften zu analysieren.

Die Einteilung der Panels nach Filmgenres und Tierarten kann verschiedene analytische Zugänge zum Thema eröffnen: Zum einen werden diachrone Vergleiche innerhalb der Panels, zum anderen synchrone Vergleiche zwischen den Funktionen, die den verschiedenen Tierarten in der Gesellschaft zugeschrieben werden, ermöglicht. Die Tagung möchte ein Forum bieten, Mensch und Tier in ihrer filmischen Repräsentation und darüber die Kategorie Spezies stärker in die historische Forschung einzubeziehen. Durch eine Verknüpfung mit den Analysekategorien class, gender und race könnte ein neuer Blick auf gesellschaftliche In- und Exklusionsvorgänge geworfen werden.

Alle am visuellen Tier Interessierten sind herzlich eingeladen, das Thema „Tiere im Film, eine Menschheitsgeschichte“ mit uns zu diskutieren und mit ihren Beiträgen die Panels thematisch zu erweitern.

KEYNOTE SPEAKER: Akira Mizuta Lippit, Professor and Chair, Acting Director, Critical Theory Institute, Department of Film and Media Studies, University of California Irvine